Die Nacht war erstaunlich ruhig, so dass wir auch wieder richtig schlafen konnten. Wir wurden dann in den ganz frühen Morgenstunden durch ein Feuerwerk geweckt; leider konnten wir es von unserm Fenster aus kaum sehen.
Da wir unseren Aufenthalt um einen Tag verlängern mussten, war ein Zimmerwechsel angesagt. Wir hatten Glück, auch das andere Zimmer hatte direkten Blick auf den Ganges und gefiel uns auf den ersten Blick. Hier könnte man auch noch länger bleiben, aber morgen geht es ja nach Amritsar.
Eigentlich wollten wir noch mit der Seilbahn rauf zum Tempel über Haridwar, von wo aus man eine tolle Aussicht haben soll, aber die Schlange vor dem Ticketschalter war so lang, dass wir keine Lust zu warten hatten. An der Upper Road von Haridwar fiel uns dann ein Haveli auf und mich zog es in den Aufgang. Das Tor stand offen und ich war neugierig, in den Innenhof zu sehen. Nach dem wir ein paar Fotos vom Innenhof gemacht hatten, sprach uns ein freundlicher junger Mann an. Er war der Sohn des Besitzers. Das Haveli ist über 150 Jahre alt und gehörte einem reichen Kaufmann aus Haridwar. Es war damals schon eine Unterkunft für amer Pilger. Sein Großvater hatte das Haus gekauft und es ist auch heute noch eine Unterkunft mit 17 Zimmern für die armen Pilger. Seit zwei Generationen ist es jetzt in dem Besitz der Familie; seine Familie kommt ursprünglich aus Rajasthan und auch er ist in Bikaner geboren worden.
Genau solche Kontakte sind es die das Reisen so spannend machen. Wir genießen diese Momente.
Von der Brücke über den Ganges hatte man einen sehr guten Blick auf die Rituale am Ghat. Ein älterer Mann übergab die Asche eines verstorbenen Angehörigen dem Ganges. In einer längeren Zeremonie werden die Asche und Knochenreste gesegnet, wobei die Angehörigen zwischendurch auch die Asche des Verstorbenen in die Hand nehmen müssen, bevor die Überreste dann in den Ganges gestreut werden. Weiter hinten sah man einige Glücksritter, die im Ganges wie Goldschürfer nach Zahngold suchten.
Am Spätnachmittag bin ich noch mal alleine losgezogen. Ich wollte unbedingt noch am Aarti teilnehmen. Aarti ist ein hinduistisches Ritual, bei dem das Licht einer Kerze den Gottheiten (der heilige Ganges dient in dem Fall als göttliches Element) dargeboten wird. Das Aarti-Ritual wird meistens am Morgen und am Abend ausgeführt und ist Teil der ausführlichen hinduistischen Puja (bedeutet „Verehrung“/„Ehrerweisung“ und gehört im Hinduismus zum wichtigsten Bestandteil des religiösen Alltags). Die Gläubigen singen während des Aarti-Rituals Lieder zum Lob der Gottheit, welche wiederum auch Aarti genannt werden.
Tausende von Indern nehmen an dem abendlichen Ritual teil und es herrscht ein gewaltiges Gedränge. Man muss oben am Eingang seine Schuhe abstellen, in der Hoffnung, sie nachher auch noch wiederzufinden. Also die Stelle genau merken! Kleiner Tipp: Die Schuhe, sofern vorhanden, mit den Schnürsenkeln zusammenbinden. Ich hatte das nicht gemacht und durfte dann nachher meine Schuhe suchen, da die Leute durchgerutscht sind und die einzelne Schuhe verstreut rumlagen (der zweite Schuh lag 3 Meter vom ersten entfernt).
Auch hier hatte ich Glück und stand in vorderster Reihe. Um dorthin zu gelangen, musste ich die Treppenstufen des Ghat hinab und mit den Füßen kurz in den Ganges.
Das Aarti-Ritual ist schon spektakulär, vor allem ist es ein Erlebnis, in vorderster Reihe dabei zu sein. Nach der Feuerzeremonie wurden die Leute noch mit heiligem Ganges-Wasser besprengt und da ich ganz vorne stand, bekam ich natürlich den großen Schwung ab. Ich konnte die Kamera gerade noch in Sicherheit bringen, in dem ich mich über sie beugte, bevor ich die Dusche abbekam. Ich war zwar nicht wie die Pilger 3x im Ganges untergetaucht, aber kann zumindest behaupten, im Ganges gewesen zu sein - wenn auch nur mit den Füßen.
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