Die Nacht war ruhig, vom Taifun war nichts zu hören oder sehen. Wie wir den Nachrichten entnehmen konnten, ist er bei Kaohsiung auf Land getroffen. In der Gegend muss es deutlich heftiger zur Sache gegangen sein, denn dort hat ein Krankenhaus gebrannt und es gab neun Tote zu beklagen. Wir hatten also noch mal Glück gehabt.
Heute ist der Himmel zwar noch grau, aber es regnet nicht mehr. Also nichts wie raus! Sightseeing! Patricia quält sich noch mit ihrer Erkältung, also ziehe ich wieder alleine los. Erster Stopp ist der Konfuzius-Tempel. Der Tempel wurde 1665 erbaut. Konfuzius schätzte Schlichtheit, und Schlichtheit ist das dominierende Merkmal des ihm gewidmeten Tempels. Hier sieht man nichts von den mannigfachen Verzierungen wie in vielen anderen Tempeln; sogar die Steinlöwen vor dem Eingang fehlen. Die Säulen, Türen und Fenster sind hier ebenso ungewöhnlich, da es keinerlei Inschriften gibt. Es wird gesagt, dass dadurch ausgedrückt wird, dass es niemand wagt sein literarisches Können vor dem Meister zur Schau zu stellen.
Ein paar Sonnenstrahlen bahnten sich ihren Weg durch die Wolken. Herrlich! Mein Weg führte mich wieder an der Wetterstation vorbei. Sieht bei Sonnenschein doch gleich ganz anders aus. Hinzu kam, dass ich mir die Zeit nahm, mal um die Station herumzulaufen. Im Inneren gibt es ein kleines Museum, das man kostenlos besichtigen kann.
Tainan hat unzählige Tempel, fast an jeder Straßenecke sieht man einen kleinen. Es lohnt manchmal, einen Blick hineinzuwerfen, auch wenn sich die Tempel meistens ähneln.
Von den größeren Tempeln sollte man sich den "Temple of Avalokitesvara" ansehen. Beim Fotografieren bitte Rücksicht auf die Betenden nehmen! Sehr viele gehen zum Beten in den Tempel und die sollte man nicht stören. Wir würden es auch nicht mögen, wenn während einer Messe hunderte von Touristen den Kölner Dom stürmen würden, um ihn zu fotografieren! Meistens ist das Fotografieren nicht verboten, aber bitte, bitte die Kamera lautlos stellen und sich unauffällig wie ein Schatten bewegen und eher auch mal auf ein Foto verzichten. Und vor allem nicht direkt vor, hinter oder neben den Betenden fotografieren! Leider habe ich gesehen, dass mache Europäer das so machen ...
Also bitte Respekt gegenüber den anderen, deren Glauben, Riten und Sitten - ganz gleich wo auf der Welt!
Beim Kaijiyu Temple hatte ich ein Erlebnis ganz besonderer Art. Viele Gläubige kamen hierher, damit ihre Wünsche in Erfüllung gehen. Auto und Reichtum standen dabei an erster Stelle. Utensilien aus Papier, wie Autos, Häuser, Handy, Geisterwelt werden nicht nur für die Verstorbenen verbrannt. Man nutzt sie auch, damit sich die Wünsche für einen selber im Diesseits erfüllen. Ich konnte eine Zeitland dabei zusehen: Ein junger Mann wünschte sich anscheinend sehnlichst ein Auto. Ein Papierauto stand zu seinen Füßen, ein Schamane (mir fällt jetzt keine bessere Bezeichnung ein), wedelt mit Messer, Fächer um den Gläubigen herum. Unter viel Lärm und Getöse werden die Götter auf die Wünsche des Jungen aufmerksam gemacht. Es werden Schellen und Glocken geläutet, mit Peitschen geknallt, Böller gezündet, in Hörner geblasen und vieles mehr. Als ich da saß, fanden gleich 3 Zeremonien parallel statt. Man kann sich das Getöse vorstellen.
In einer kleinen Seitenstrasse traf ich auf einen Keksbäcker. Ich musste natürlich seine Kekse probieren. Leider haben sie mir nicht so gut geschmeckt - für meinen Geschmack waren sie mir zu trocken und zu süß. Dennoch konnte ich ein nettes Foto von ihm machen.
Viele der kleine Häuser und Marktstände werden wohl mit der Zeit verschwinden
Die Shennong Strasse ist sehr touristisch und tagsüber eher enttäuschen. Viele junge Leute gehen durch die Straße und hoffen, Instagram-würdige Fotos machen zu können. Die Shennong-Straße ist nur 200 m lang und wird von kleinen Geschäften gesäumt, die an die Nostalgie der Qing-Dynastie erinnern sollen (und das wahrscheinlich auch nur nachts, wenn die Laternen leuchten. Dann könnte man vielleicht das Gefühl der alten Straße bekommen … so eher nicht). Viele Geschäft sind tagsüber auch geschlossen.
Immer wieder interessant sind manche Kreuzungen in Taiwan: Die Ampeln für die Autos stehen für alle Richtungen auf rot und die Fußgänger können die Kreuzung auch diagonal queren.
Wenigstens am letzten Tag in Tainan hatten wir gutes Wetter. Es ist doch viel netter, wenn die Straßen belebt sind und es nicht regnet. Morgen geht es dann um kurz nach 8:00 Uhr mit dem Zug zurück nach Kaohsiung und von da dann direkt mit dem Bus nach Donggang. Wir sind schon gespannt, was uns da erwartet - es wird auf alle Fälle ein langer Tag und eine lange Nacht werde ...
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